Herbst-Scharnier – Unterkiefer-Rücklage ohne Operation korrigieren

13. September 2025

Warum das Thema wichtig ist

Eine Rücklage des Unterkiefers gehört zu den häufigsten kieferorthopädischen Problemen. Sie führt nicht nur zu ästhetischen Disharmonien im Gesicht, sondern kann auch gesundheitliche Folgen haben: gestörte Kaufunktion, Sprachprobleme, Atembeschwerden bis hin zu Kiefergelenksproblemen. Lange Zeit bedeutete eine ausgeprägte Unterkieferrücklage im Erwachsenenalter oft eine Kombination aus Zahnspange und Operation.

Doch moderne funktionelle Apparaturen wie das Herbst-Scharnier ermöglichen heute in vielen Fällen eine erfolgreiche Korrektur – ohne chirurgischen Eingriff. Diese Methode hat sich vor allem bei Jugendlichen bewährt, findet aber zunehmend auch bei Erwachsenen Anwendung.

 

1. Was ist ein Herbst-Scharnier?

Das Herbst-Scharnier (benannt nach dem deutschen Kieferorthopäden Emil Herbst, der es 1905 entwickelte) ist ein festsitzendes kieferorthopädisches Gerät, das den Unterkiefer kontinuierlich nach vorne führt.

Aufbau

Zwei kleine Teleskopstangen (ähnlich einem Scharnier) verbinden Ober- und Unterkiefer.

Die Apparatur wird fest an den Zähnen fixiert und kann nicht herausgenommen werden.

Durch den permanenten Vorschub wird das Kieferwachstum gelenkt und die Rücklage des Unterkiefers korrigiert.

Funktionsweise

Das Scharnier zwingt den Unterkiefer in eine nach vorne verlegte Position. Diese Haltung wird dauerhaft eingenommen, wodurch sich Muskeln, Gelenke und Knochen anpassen. Im Laufe von 9–15 Monaten kann eine deutliche Harmonisierung erzielt werden.

 

2. Indikationen – Wann wird das Herbst-Scharnier eingesetzt?

Distalbiss (Überbiss): Der Unterkiefer steht zu weit zurück.

Dysproportion zwischen Ober- und Unterkiefer: Asymmetrien oder ausgeprägte Kieferdifferenzen.

Funktionsstörungen: Einschränkungen beim Kauen, Sprechen oder Atmen.

Ästhetische Gründe: Ein zurückliegendes Kinn kann das Gesichtsprofil stark beeinflussen.

 

3. Vorteile des Herbst-Scharniers

Festsitzend: Keine Mitarbeit des Patienten erforderlich, da die Apparatur nicht herausnehmbar ist.

Kontinuierlicher Effekt: Wirkt 24 Stunden pro Tag, auch während des Schlafens.

Hohe Erfolgsquote: Studien zeigen eine deutliche Verbesserung bei Überbissen von bis zu 10 mm.

Nicht-invasiv: In vielen Fällen kann eine Operation vermieden werden.

Kombinierbar: Oft in Verbindung mit festen Zahnspangen eingesetzt, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.

 

4. Nachteile und Herausforderungen

Eingewöhnungszeit von 1–2 Wochen mit Druckgefühl und Reizungen.

Eingeschränkter Mundöffnungswinkel zu Beginn.

Mögliches Lockern oder Bruch der Teleskope (regelmäßige Kontrollen erforderlich).

Gesteigerte Anforderungen an die Mundhygiene.

Nicht immer allein ausreichend bei sehr schweren Fehlstellungen.

 

5. Behandlungsdauer und Ablauf

a) Diagnostik

Zunächst wird die Rücklage des Unterkiefers durch Röntgenbilder, Fotos und digitale Scans dokumentiert.

b) Einsetzen

Das Herbst-Scharnier wird an Bändern oder Brackets befestigt. Nach kurzer Eingewöhnung kann der Patient normal essen, sprechen und lachen.

c) Tragedauer

Im Durchschnitt: 9–15 Monate

In Kombination mit einer festen Spange: zusätzliche 12–18 Monate

Insgesamt: 2–3 Jahre für die vollständige Behandlung

d) Nachbehandlung

Nach Abschluss stabilisieren Retainer oder Schienen das Ergebnis dauerhaft.

 

6. Herbst-Scharnier im Vergleich zu anderen Apparaturen

MerkmalHerbst-ScharnierAktivator (herausnehmbar)Chirurgische Korrektur
Mitarbeitnicht notwendigsehr hoch (Tragedisziplin)keine Mitarbeit
Wirkdauer24h/Tagnur bei Tragendauerhaft nach OP
AlterJugendliche & Erwachsenev. a. KinderErwachsene
Invasivitätnicht-invasivnicht-invasivinvasiv
Erfolgsquotesehr hochhoch bei guter Mitarbeitsehr hoch
Dauer9–15 Monate12–24 MonateOP + Spange: 2–3 Jahre

 

7. Medizinische Auswirkungen

Neben der Verbesserung der Zahnstellung hat das Herbst-Scharnier auch funktionelle Effekte:

Verbesserung der Kiefergelenksposition

Normalisierung der Gesichtsästhetik

Bessere Atemwege durch Vorverlagerung des Unterkiefers

Reduzierung von Schnarchen in manchen Fällen

Positive Auswirkungen auf die Kau- und Sprachfunktion

 

8. Psychologische Aspekte

Ein zurückliegendes Kinn kann gerade im Jugendalter zu Unsicherheiten führen. Durch die sichtbare Verbesserung des Profils steigt oft das Selbstbewusstsein deutlich. Da das Scharnier selbst kaum sichtbar ist (es sitzt im Mund), fühlen sich Jugendliche und Erwachsene im Alltag wenig eingeschränkt.

 

9. Alltag mit dem Herbst-Scharnier

Essen: Gewöhnung an kleinere Bissen, anfangs weiche Kost empfohlen.

Sprechen: Anfangs leichte Beeinträchtigungen, die sich nach wenigen Tagen legen.

Sport: Kein Problem, ein spezieller Mundschutz wird empfohlen.

Pflege: Gründliche Zahnhygiene und zusätzliche Hilfsmittel wie Interdentalbürsten sind wichtig.

 

10. Kosten

Die Kosten für ein Herbst-Scharnier variieren je nach Dauer und begleitender Behandlung:

Kinder & Jugendliche: Teilweise Kostenübernahme durch die Krankenkasse (bei entsprechender KIG-Einstufung).

Erwachsene: In der Regel Selbstzahlerleistung, Kostenpunkt zwischen 1.500 und 2.500 Euro (zuzüglich zur Spangenbehandlung).

 

11. Aktuelle Studienlage

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Herbst-Scharnier zu den effektivsten nicht-chirurgischen Methoden zur Korrektur des Distalbisses gehört. Bei rechtzeitiger Anwendung können chirurgische Eingriffe in bis zu 70 % der Fälle vermieden werden.

 

Fazit

Das Herbst-Scharnier ist eine bewährte, effektive und nicht-invasive Methode, um eine Unterkieferrücklage zu korrigieren. Es verbindet die Vorteile einer festsitzenden Apparatur mit der Möglichkeit, Operationen häufig zu vermeiden. Für Kinder und Jugendliche ist es besonders erfolgversprechend, aber auch Erwachsene können profitieren.

Wenn Sie erfahren möchten, ob ein Herbst-Scharnier für Sie oder Ihr Kind infrage kommt, nutzen Sie den Terminbutton auf unserer Website oder nehmen Sie direkt Kontakt auf, um eine individuelle Beratung in Schloß Holte-Stukenbrock zu vereinbaren.