
Welche Risiken birgt eine kieferorthopädische Behandlung?
30. Juni 2025Kieferorthopädische Behandlung – nicht nur Chancen, sondern auch Risiken?
Die meisten Menschen verbinden eine kieferorthopädische Behandlung mit positiven Ergebnissen: Gerade Zähne, ein harmonischer Biss und mehr Selbstbewusstsein. Doch wie bei jeder medizinischen Maßnahme gibt es auch hier Risiken und Nebenwirkungen, die vorab bedacht werden sollten. Viele davon sind vermeidbar oder behandelbar – entscheidend ist jedoch, dass du sie kennst.
Eine kieferorthopädische Therapie ist ein individueller Prozess. Sie basiert auf biomechanischen Kräften, die über einen längeren Zeitraum auf Zähne und Kiefer einwirken. Das Ziel ist, eine funktionelle und ästhetische Verbesserung zu erreichen. Doch dieser Prozess kann mit unerwünschten Effekten verbunden sein – insbesondere dann, wenn unzureichend aufgeklärt, schlecht geplant oder nicht engmaschig begleitet wird.
Die häufigsten Nebenwirkungen kieferorthopädischer Behandlungen
Schmerzen und Druckgefühl
Kurz nach dem Einsetzen einer festen oder losen Zahnspange berichten viele Patienten über Druckschmerzen. Das ist kein Grund zur Sorge – es ist ein Zeichen dafür, dass die Zähne auf die Kräfte reagieren. Innerhalb weniger Tage lässt dieses Druckgefühl nach, kann aber nach jeder Nachstellung erneut auftreten.
Karies und Entkalkungen
Eine der häufigsten Komplikationen sind Karies und weiße Entkalkungsflecken – sogenannte „white spots“. Diese entstehen, wenn Speisereste und Zahnbelag sich rund um die Brackets ablagern. Die tägliche Mundhygiene ist bei festsitzenden Apparaturen besonders aufwändig. Wer hier nicht sorgfältig ist, riskiert bleibende Schäden am Zahnschmelz.
Zahnfleischentzündungen
Durch mechanische Reizung oder ungenügende Reinigung kann sich das Zahnfleisch entzünden. Es wird gerötet, schwillt an oder blutet beim Zähneputzen. In schweren Fällen kann es sogar zur Parodontitis kommen. Eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung und engmaschige Kontrolle durch die Praxis sind daher essenziell.
Biologische Reaktionen des Körpers – was kann passieren?
Wurzelresorption – ein schleichender Prozess
Bei langwierigen oder sehr kraftintensiven Behandlungen kann es zur Verkürzung der Zahnwurzeln kommen, der sogenannten Wurzelresorption. Diese ist in vielen Fällen nicht spürbar, kann aber langfristig die Stabilität der Zähne beeinflussen. Besonders betroffen sind Frontzähne im Oberkiefer. Moderne Verfahren versuchen, durch gezielte Steuerung der Kräfte das Risiko zu minimieren.
Veränderung der Zahnstellung nach der Behandlung
Nicht selten berichten Patient:innen Jahre nach der abgeschlossenen Behandlung davon, dass sich die Zähne wieder verschieben – das sogenannte Rezidiv. Um dies zu vermeiden, sind sogenannte Retainer (fest oder herausnehmbar) essenziell. Sie sorgen dafür, dass das erreichte Ergebnis stabil bleibt.
Kiefergelenksprobleme und Veränderungen der Bisslage
CMD – craniomandibuläre Dysfunktion
Bei ungünstiger Kieferführung kann es zu Fehlbelastungen im Kiefergelenk kommen. Diese äußern sich durch Knacken beim Öffnen des Mundes, Schmerzen, Verspannungen oder sogar Kopfschmerzen. Eine interdisziplinäre Betrachtung mit spezialisierten Physiotherapeuten oder Zahnärzten ist hier hilfreich.
Ungewollte Veränderungen des Bisses
Ein falsch eingestellter Biss kann zu Problemen beim Kauen oder Sprechen führen. In seltenen Fällen führt eine Behandlung sogar zu einer neuen Dysgnathie – also einer Fehlstellung, die vorher gar nicht existierte. Diese Folge entsteht meist bei unzureichender Planung oder Kontrolle.
Psychische Belastung und Auswirkungen auf den Alltag
Eingeschränktes Sprechen und Essen
Besonders bei Jugendlichen spielt die psychische Komponente eine große Rolle. Die Spange verändert das Sprechen, das Kauen oder das Aussehen. Schamgefühle und Unsicherheiten sind mögliche Begleiterscheinungen. Diese psychologische Belastung wird oft unterschätzt, obwohl sie Einfluss auf das Behandlungsergebnis haben kann – etwa wenn die Motivation zur Mundhygiene oder zur Tragezeit nachlässt.
Motivation und Compliance
Erfolgreich ist eine kieferorthopädische Behandlung nur, wenn du als Patient:in mitarbeitest – z. B. durch konsequentes Tragen von Gummizügen oder herausnehmbaren Spangen. Bleibt die Motivation aus, leidet das Ergebnis – im schlimmsten Fall droht ein Behandlungsabbruch oder eine Verlängerung der Therapie.
Risiken im Zusammenhang mit bestimmten Apparaturen
Risiken bei festen Zahnspangen
Festsitzende Multibandapparaturen bergen das höchste Risiko für hygienebedingte Komplikationen. Auch mechanische Schäden – etwa ein gelöstes Bracket oder verbogene Drähte – können Schmerzen verursachen und das Behandlungsergebnis negativ beeinflussen.
Risiken bei Alignern
Aligner wie Invisalign gelten als moderne, diskrete Alternative. Sie bergen ein geringeres Risiko für Karies, da sie herausgenommen werden können. Allerdings können sie das Zahnfleisch reizen und erfordern eine sehr hohe Tragezeit von täglich 22 Stunden – was im Alltag eine Herausforderung sein kann.
Kinder und Jugendliche – besondere Risikogruppen?
Frühbehandlungen und ihre Nebenwirkungen
Bei sehr jungen Kindern kann es durch die Behandlung mit funktionskieferorthopädischen Geräten zu Problemen kommen, wenn das Wachstum ungenügend berücksichtigt wird. Eine falsche Einschätzung des Entwicklungsstandes kann zu ineffektiven oder sogar schädlichen Ergebnissen führen.
Risiko der Überbehandlung
In manchen Fällen wird eine Behandlung empfohlen, obwohl aus funktioneller Sicht keine Notwendigkeit besteht. Diese sogenannte Übertherapie kann sowohl psychisch als auch körperlich belastend sein – und ist ein ethisch diskutiertes Thema in der modernen Kieferorthopädie.
Wie lassen sich Risiken vermeiden oder reduzieren?
Aufklärung und individuelle Therapieplanung
Eine transparente Beratung über Ziele, Methoden und potenzielle Nebenwirkungen ist der erste Schritt zur Vermeidung von Komplikationen. Wichtig ist auch eine sorgfältige Anamnese: Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahmen oder frühere kieferorthopädische Maßnahmen sollten berücksichtigt werden.
Gute Mundhygiene und regelmäßige Kontrolle
Ein zentraler Punkt ist die tägliche Zahnpflege. Fluoridhaltige Zahnpasten, spezielle Interdentalbürsten und regelmäßige Kontrolltermine helfen, Karies und Entzündungen vorzubeugen. Auch eine engmaschige Begleitung durch die Praxis kann Risiken frühzeitig erkennen.
Der richtige Zeitpunkt
Der beste Zeitpunkt für eine Behandlung ist individuell verschieden. Eine zu frühe oder zu späte Therapie kann unnötige Risiken oder eine Verlängerung der Behandlungsdauer mit sich bringen. Hier ist die Erfahrung des behandelnden Kieferorthopäden entscheidend.
Fazit: Risiken realistisch einschätzen – mit Aufklärung zur sicheren Behandlung
Kieferorthopädische Behandlungen sind medizinisch sinnvoll und in den meisten Fällen erfolgreich. Dennoch ist es wichtig, mögliche Risiken zu kennen, um vorbereitet zu sein. Die gute Nachricht: Viele Nebenwirkungen lassen sich durch eine professionelle Begleitung, gute Aufklärung und engagierte Mitarbeit vermeiden. Wer sich bewusst für eine Therapie entscheidet, schafft die besten Voraussetzungen für ein langfristig stabiles Ergebnis – und ein gesundes, schönes Lächeln.